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Historische Verantwortung

Eine lebendige Demokratie im Heute und Morgen basiert auch auf einem guten Umgang mit dem Gestern. Idstein hat in seiner Vergangenheit auch manche dunklen Kapitel erlebt. So wurden etwa die Opfer der sogenannten „Hexenverfolgung“ in der frühen Neuzeit erst vor wenigen Jahren offiziell durch die Stadtverordnetenversammlung rehabilitiert.

Ein anderer Tiefpunkt der Idsteiner Geschichte ist immer noch nicht ausreichend aufgearbeitet worden: In der NS-Zeit wurden im Kalmenhof mehr als 700 Menschen ermordet, deren Leben den Nazis als „lebensunwert“ galten; zahlreiche weitere wurden von hier aus in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht und dort ermordet.

Viele der Opfer wurden in Idstein an verschiedenen Orten verscharrt, ihre Namen dem Vergessen preisgegeben, wie die Täter*innen es geplant hatten.

Das ehemalige Kalmenhof-Krankenhaus als Haupttatort wurde vom Eigentümer vor einigen Jahren sogar auf einer Immobilienplattform zum Verkauf angeboten, ohne seine Geschichte auch nur zu erwähnen.

Erst der Widerstand engagierter Bürger*innen und GRÜNER Kommunalpolitiker*innen konnte einen Verkauf verhindern und führte nach jahrelangem zähem Ringen zu ersten Ergebnissen wie einer ausführlichen wissenschaftlichen Studie, Untersuchungen der vermuteten Gräberfelder und der Entscheidung des Landesamtes, das Krankenhaus und die umliegenden Flächen unter Denkmalschutz zu stellen.

Doch der Respekt vor den Opfern und die Verantwortung, solches Unrecht nie wieder zuzulassen, fordern auch weiterhin unseren Einsatz für eine vollständige Aufklärung und Aufarbeitung, für ein würdiges Gedenken an die Opfer und für eine engagierte demokratische und antifaschistische Bildungsarbeit – auch und gerade am damaligen Tatort.

 

Wir stehen für:

  • die Einrichtung eines Lern- und Gedenkortes im und am ehemaligen Kalmenhof-Krankenhaus.
  • die genaue Ortung aller Grablagen und eine würdige, dem Gräbergesetz entsprechende Gestaltung, insbesondere ein namentliches Erinnern an die Opfer – damit die Intention der Täter*innen, diese Menschen wortwörtlich auszulöschen, endlich gebrochen wird.
  • die Unterstützung des Vereins „Gedenkort Kalmenhof e.V.“ und des dort erarbeiteten Konzepts für die authentischen Orte seitens der Stadt.
  • die Errichtung eines würdigen und angemessenen Mahnmals auch für die von Idstein nach Hadamar oder andernorts deportierten und dort ermordeten Menschen am authentischen (Tat-)Ort in Idstein.
  • die dauerhafte und rechtlich gesicherte Freihaltung aller tatsächlichen oder vermuteten Grabflächen und Tatorte von jeder Bebauung.
  • eine gründliche und vollständige Aufklärung des Verbleibs aller sterblichen Überreste von Idsteiner NS-Opfern.

Euthanasie im Kalmenhof

Der Kalmenhof ist eine sozialpädagogische Einrichtung der Jugend- und Behindertenhilfe mit Ausbildungs- und Lehrbetrieb in Idstein. Die Anlagen des Kalmenhofs (früher auch Calmenhof, Idiotenanstalt Idstein oder auch Calmischer Hof) stehen teilweise unter Denkmalschutz. Die Einrichtung wird heute von der Vitos Teilhabe gemeinnützige GmbH betrieben. 

Im besonderen Fokus der Aufmerksamkeit der Grünen Idstein steht die Tatsache, dass im Kalmenhof während der Zeit des Nationalsozialismus fürchterliche Gräueltaten im Rahmen der Euthanasie begangen wurden. Obwohl die Beteiligung von Mitarbeiter*innen des Kalmenhofs an den Verbrechen der nationalsozialistischen Rassenhygiene 1947 im sogenannten Kalmenhofprozess untersucht worden war, wurde das wahre Ausmaß der Taten in Idstein bis in die achtziger Jahre geleugnet bzw. verschwiegen.

Zum Hintergrund

Die Geschichte des Kalmenhofes reicht zurück bis ins Mittelalter. 1888 wurde das unter dem Namen Stockheimer Hof bekannte Anwesen von wohlhabenden jüdischen und protestantischen Bürger*innen aus Frankfurt erworben. Sie setzten mit der "Idiotenanstalt zu Idstein" ein für damalige Zeiten fortschrittliches Zeichen, indem sie ein Ende des menschenunwürdigen Wegsperrens behinderter Menschen zum Ziel hatten. Mit ihrer Bürgerstiftung wollten sie durch besondere Förderung „bildungsunfähiger“ Kinder und Jugendlicher die Möglichkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft geben. Mit dem Kalmenhof entstand eine der damals bedeutenden Heilerziehungsanstalten. Die Zahl der Bewohner*innen stieg schnell – ständig mussten auf dem weitläufigen Gelände neue Häuser errichtet werden – bis 1933 dann das Ende der freien Trägerschaft und der Beginn einer menschenverachtenden Behandlung der zu pflegenden Bewohner*innen begann: Zwangssterilisierung (ab 1934, mindestens 216 geschädigte Menschen), gezielte Tötungen (ab Ende 1939) …

Wie viele Opfer genau die nationalsozialistische „Euthanasie“ (Aktion T-4 – systematische Ermordung von Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen) am Kalmenhof forderte, ist schwer einzuschätzen, denn die Unterlagen wurden bei Kriegsende vernichtet. Auszugehen ist wohl von zwischen 700 und 1000 Todesopfern am Kalmenhof. Die Verbrechen fanden wohl in der Regel im "Kalmenhof-Krankenhaus" statt. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde es als Isolierstation für die Behinderteneinrichtung Kalmenhof erbaut. Unter der nationalsozialistischen Diktatur wurde es als so genannte Kinderfachabteilung genutzt – ein Euphemismus für Krankenhausabteilungen, in denen behinderte oder psychisch kranke Kinder im Rahmen des „Euthanasie“-Programms der Nationalsozialisten ermordet wurden.

Ab Januar 1941 war der Kalmenhof auch Zwischenanstalt für die industriell betriebene Tötungsanstalt Hadamar, wo Vergasungen durchgeführt wurden. Zitat Wikipedia: "Funktion der Zwischenanstalten war die „Zwischenlagerung“ der für Hadamar bestimmten Transporte. Das heißt, es sollte sichergestellt werden, dass nur so viele Opfer angeliefert wurden, wie unmittelbar darauf ermordet werden konnten. Die Verlegungen erfolgten täglich mit sogenannten Gekrat-Bussen außer am Wochenende. Die Opfer wurden am Kalmenhof notdürftig auf Strohlagern in der Turnhalle oder später in den Kellerräumen des Altenheims untergebracht. Unter ihnen befanden sich auch politische Gefangene, Kommunisten und Anarchisten, die kurzerhand für geisteskrank und lebensunwert erklärt worden waren." Weitere Details (u.a. zu der strafrechtlichen Verfolgung nach 1945) finden sich u.a. bei Wikipedia

Nach öffentlichen Protesten gegen die Aktion T-4 wurde diese im August 1941 offiziell eingestellt, doch die „Kinder-Euthanasie“ wurde fortgesetzt, ebenso die dezentrale Tötung behinderter Erwachsener. So verlagerte sich das Morden endgültig an den Kalmenhof. 

Im Idsteiner Kalmenhof wurde eine sogenannte "Kinderfachabteilung" (Vernichtungsstationen) im zweiten und dritten Stock des Krankenhauses eingerichtet. Überlebende erinnern aber, dass das ganze Krankenhaus  für die Gefährdeten "gefährlich" gewesen ist. Getötet wurde durch todbringende Medikamentengaben aber auch durch gezielten Nahrungsentzug. Opfer waren Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, aber auch Jugendliche, die als arbeitsscheu oder asozial galten. In in den Kalmenhof Eingewiesenen überlebten meist nur wenige Tage.

Da der städtische Friedhof nicht für die zahlreichen Sterbefälle am Kalmenhof ausreichte, wurden die Ermordeten auf dem 1942 angekauften jüdischen Friedhof begraben, der aber auch bald belegt war. So entstanden Gräberfelder in der Nähe des Kalmenhof Krankenhauses. Die Begräbnisse wurden möglichst heimlich durchgeführt. Die genaue Lage der Gräber ist bis heute unzureichend ermittelt.

Das ehemalige Krankenhausgebäude in Idstein wurde ab 1969 als erste kinder- und jugendpsychiatrische Klinik Hessens genutzt. Sie zog 1974 in einen Neubau auf dem Eichberggelände in Eltville um; eine Station blieb in Idstein vor Ort. Im Zuge der Umwandlung der Eigenbetriebe des Landeswohlfahrtsverbandes in gemeinnützige Gesellschaften mbH im Jahr 2007 wurde die Immobilie am Veitenmühlberg auf Vitos Rheingau übertragen. Kurze Zeit später zog die kinder- und jugendpsychiatrische Behandlungseinheit in die Robert-Koch-Straße, wo sie sich ein Gebäude mit der Helios Klinik Idstein teilt. Das ehemalige Krankenhausgebäude steht seither leer und wurde bereits wiederholt durch Vandalismus beschädigt.

Aktueller Stand

Kalmenhof Gedankstätte Gräberfeld

Beitrag von Christoph Schneider aus der Zeitschrift Jungle World 2020/22 über den Stand der Entwicklung

Die Wiederkehr der Toten

Christoph Schneider Viele Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde wurden noch nicht würdevoll bestattet

Antrag der Grünen

Die Turnhalle wurde abgerissen, jetzt braucht es ein Mahnmal!

Weitere Infos zum Antrag

Forschungsbericht und Gremium

Die beiden Wissenschaftler Dr. Harald Jenner und Christoph Schneider hatten von Januar bis Juni 2018 im Auftrag von Vitos Rheingau und auf Vorschlag des seit 2017 zum Umgang mit der Immobilie Kalmenhof-Krankenhaus tagenden Gremiums die vorliegenden Quellen gesichtet und verfügbare Zeitzeugen befragt, insbesondere zu der ersten großen Bestandsaufnahme zum Kalmenhof in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Im Zentrum ihrer Untersuchung stand die Frage nach der genauen Lage der Gräberfelder des „Kalmenhof-Friedhofs“ und die Frage, in welchen Räumlichkeiten genau sich die „Kinderfachabteilung“ befand. Im Rahmen des Projekts wurden auch die Zeugenaussagen während der Kalmenhofprozesse nach 1945 gesichtet. Insgesamt entstand so ein differenziertes und in Details auch modifiziertes Bild des Mordgeschehens im Kalmenhof-Krankenhaus und des Umgangs mit den Leichnamen der Ermordeten. 

Mitglieder des Gremiums, das von Altbürgermeister Gerhard Krum geleitet wird, sind der Geschäftsführer von Vitos Rheingau Servet Dag, Bürgermeister Christian Herfurth, die Fraktionsvorsitzenden der in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Parteien oder von diesen benannte Stellvertreter: Roland Hoffmann (FDP), Sven Hölzel (SPD), Andreas Ott (FWG), Peter Piaskowski (CDU) und Jürgen Schmitt in Vertretung von Annette Reineke-Westphal (Die Grünen). Weiter gehört der langjährige Stadtverordnetenvorsteher Thomas Zarda dem Gremium an sowie Edeltraud Krämer, die Geschäftsführerin der Vitos Teilhabe gGmbH, Dr. Jan Erik Schulte, Leiter der Gedenkstätte Hadamar, die Publizistin Martina Hartmann-Menz, Eberhard Kriews und Pfarrer Kirsten Brast.

Pressemeldungen und Anträge

GRÜNE fordern Lokalisierung des Gräberfeldes

Pressemeldung vom 21. Januar 2017

GRÜNE für öffentliche Sitzungen der Kalmenhof-Kommission zu NS-Morden

Pressemeldung vom 26. Februar 2019

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